Im März 2024 hat das EU-Parlament die neue Produkthaftungs-Richtlinie verabschiedet. Diese bringt zahlreiche, durchaus weitgehende Neuerungen mit sich. Vor allem dürfte es zu Verschärfungen im Bereich von Softwarefehlern (Datenverlust, Cyber Security) und einer Ausdehnung der Haftung auf Wirtschaftakteure kommen, für welche die Produkthaftung bisher kein Thema war. Nach formeller Bestätigung im EU-Rat sind Mitgliedsstaaten – voraussichtlich bis Mitte 2026 – dazu verpflichtet, die Richtlinie entsprechend umzusetzen.
Unser RA Georg Huber hat die Inhalte der neuen Produkthaftungs-Richtlinie auf die zentralen Neuerungen heruntergebrochen, welche er in der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftskammer Tirol Magazins „Tiroler Wirtschaft“ kurz vorstellt.
Mit welchen Verschärfungen ist zu rechnen? Nachstehend ein Auszug sowie die vollständige digitale Fassung zum Nachlesen:
[…]
Die aktuelle Produkthaftungsrichtlinie stammt aus dem Jahr 1985. Seit damals hat sich die Herstellung und der Vertrieb von Produkten erheblich verändert und neue, insb digitale Technologien wie Software und Systeme künstlicher Intelligenz (KI-Systeme) haben Einzug gefunden. Deshalb soll die Produkthaftung modernisiert und gleichzeitig an die bereits aktualisierten europäischen Vorschriften zum Produktsicherheitsrecht und zur Marktüberwachung angeglichen werden. Im Folgenden werden die wesentlichen Neuerungen kurz vorgestellt.
Haftung für Software und digitale Produktionsdateien
Software und digitale Produktionsdateien (z.B. für 3D-Drucker) gelten ausdrücklich als „Produkte“, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eigenständige Software (z.B. Smartphone-App für Medizinprodukte) oder um eine Software handelt, die in einem anderen Produkt integriert ist (z.B. Navigationsdienst in einem autonomen Fahrzeug). Ausgenommen sind jedoch kostenfreie oder Open-Source Software, die nicht geschäftlich zur Verfügung gestellt werden.
Kreis der Haftpflichtigen wird erweitert
Bisher beschränkte sich der Kreis der Haftpflichtigen auf den Hersteller, den Anscheinshersteller und den Importeur in den EWR.
Insbesondere der Onlinehandel führt aber vermehrt dazu, dass Produkte direkt aus Ländern außerhalb des EWR bezogen werden und im Haftungsfall kein Hersteller oder Importeur im EWR greifbar ist. Um dem entgegen zu wirken, sollen künftig auch Bevollmächtigte des Herstellers, Fulfillment-Dienstleister (d.h. Lager-, Verpackungs- und Versanddienstleister) und – unter engen Voraussetzungen – sogar Einzelhändler und Betreiber von Online-Marktplätzen verschuldensunabhängig haften können.
Außerdem sollen zukünftig auch solche Unternehmen verschuldensunabhängig haften, die ein Produkt im Sinn der Produktsicherheit „wesentlich verändern“. Konsequenterweise soll mit dem Zeitpunkt der wesentlichen Veränderung auch die Verjährungsfrist neu zu laufen beginnen.
Was ist ein fehlerhaftes Produkt?
Nach der bisherigen Rechtslage ist ein Produkt dann fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man allgemein erwarten kann. Künftig sollen zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit auch die Produktsicherheitsvorschriften herangezogen werden. Beispielsweise könnte etwa ein fehlendes Software-Update zur Fehlerhaftigkeit führen, wenn das Update für die Behebung von Schwachstellen der Cybersicherheit erforderlich ist. Ebenso könnten Beanstandungen der Behörden im Rahmen der Produktsicherheit sowie behördlich Rückrufe für eine Fehlerhaftigkeit des Produkts sprechen.
Bei Produkten mit besonders hohem Schadenspotential, wie z.B. Medizinprodukte mit lebenserhaltender Funktion, kann ohne Nachweis der Fehlerhaftigkeit des konkreten Produkts von einem Fehler ausgegangen werden kann, wenn das Produkt zu einer fehlerhaften Produktserie gehört.
[…]
Zum vollständigen Artikel in der Tiroler Wirtschaft – das Magazin der Tiroler Wirtschaftskammer: Produkthaftung neu – Richtlinie bringt verschärfte Haftung