Neue Spielregeln für den Vertrieb

Dr. Georg Huber, LL.M.

Die aktuelle Vertikal-Gruppen-Freistellungsverordnung (VGVO) und die dazu gehörigen „Leitlinien“ laufen am 31. Mai 2022 aus – die neuen Regelungen treten mit 1. Juni 2022 in Kraft. Unser RA Georg Huber und unsere juristische Mitarbeiterin Teresa Bösch zeigen im folgenden Artikel für die aktuelle Ausgabe der „Tiroler Wirtschaft“ (Magazin der Tiroler Wirtschaftskammer) auf, dass sich damit beispielsweise für den Online-Handel eine Reihe von Änderungen ergeben:

Neue Spielregeln für den Vertrieb

Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen sind verboten. Klassisches Beispiel sind Preisabsprachen, wie sie jüngst etwa zu hohen Geldbußen gegen PORR (€ 62,35 Mio.) und STRABAG (€ 45,37 Mio.) geführt haben.

Preisabsprachen werden auf horizontaler Ebene getroffen, also zwischen Unternehmen, die auf gleicher Produktions- oder Vertriebsebene tätig sind. Kartellrechtswidrige Vereinbarungen sind aber auch auf vertikaler Ebene untersagt, also zwischen Unternehmen, die auf unterschiedlicher Ebene tätig sind (zB Hersteller und Händler).

Ein Beispiel sind Mindestverkaufspreise, die der Hersteller dem Händler vorschreibt. Die Unternehmen müssen dabei jeweils selbst die kartellrechtliche Zulässigkeit solcher Klauseln beurteilen.

Die Europäische Kommission (EK) hat sogenannte „Gruppen-Freistellungsverordnungen“ (GVO) erlassen, mit denen sie bestimmte Gruppen von Vereinbarungen unter bestimmten Bedingungen vom Kartellverbot „freistellt“. Halten sich Unternehmen an die Vorgaben der GVOs, sind sie vor Geldbußen geschützt („safe harbour“). Für vertikale Vereinbarungen besteht schon seit langem eine solche GVO, die Vertikal-GVO (VGVO).

Die neue Vertikal-GVO

Die aktuelle VGVO und die dazu gehörigen „Leitlinien“ laufen am 31. Mai 2022 aus. Die Leitlinien geben praktische und informelle Hinweise, wie die VGVO anzuwenden ist.

Die EK hat Entwürfe einer aktualisierten VGVO (VGVO-E) samt neuen Leitlinien veröffentlicht. Beide treten am 1. Juni 2022 in Kraft. Voraussichtlich wird sich an diesen Entwürfen nichts mehr ändern.

Die bisherigen Grundsätze werden beibehalten, insbesondere bietet die neue VGVO nur dann einen safe harbour, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils Marktanteile von ≤30% haben. Außerdem dürfen bestimmte Klauseln, sog. „Kernbeschränkungen“, nicht vereinbart werden (zB Mindestpreise für den Weiterverkauf).

Die neue VGVO bringt aber auch eine Reihe von Änderungen, zB für den Online-Handel.

Die Änderungen der VGVO-E

Online-Plattformen: Online-Plattformen – das sind elektronische Plattformen, die Geschäfte im b2b oder b2c-Bereich gegen Entgelt vermitteln (zB booking.com) – gelten künftig als eigenständige Anbieter und nicht als Handelsvertreter. Sie fallen daher unter das Kartellrecht, aber auch in den Genuss des safe-harbour-Privilegs.

Eine weitere Änderung betrifft Paritätsklauseln, die einem Händler/Dienstleister verbieten, auf anderen Vertriebskanälen als der jeweiligen Plattform günstigere Bedingungen anzubieten. Ein typisches Beispiel sind Hotels, die sich oft verpflichten mussten, Zimmer nicht zu günstigeren Preisen als auf der jeweiligen Buchungsplattform anzubieten.

Unzulässig sind aber nur „weite“ Paritätsklauseln, die günstigere Bedingungen auf anderen Online-Plattformen untersagen.

Zulässig sind hingegen „enge“ Preisparitätsklauseln, die dem Händler/Dienstleister (zB dem Hotel) günstigere Konditionen im Eigenvertrieb (zB über die eigene Internetseite) verbieten, und Paritätsklauseln, die nicht den Verkauf an Endkunden betreffen.

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Zum vollständigen Artikel in der „Tiroler Wirtschaft“:
Neue Spielregeln für den Vertrieb

Fotonachweis:
Georg Huber © Christian Forcher/TRAK
Teresa Bösch © Julia Türtscher/BLICKFANG

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