Muss Meinungs- und Pressefreiheit leistbar sein?

Mag. Melanie Gassler-Tischlinger, LL.M.
Mag. Johannes Neulinger

RA Melanie Gassler-Tischlinger und RAA Johannes Neulinger thematisieren im aktuellen „Ratgeber Recht“ des Medienmagazins „Statement“ (Ausgabe Jänner/Februar 2022) die neuesten Entwicklungen und EU-weiten Maßnahmen, die es Betroffenen ermöglichen sollen, gegen missbräuchlich eingebrachte – sogenannte SLAPP – Klagen möglichst frühzeitig vorzugehen:

Wer Geld hat, kann Journalisten klagen

Wir haben alle von den Strategic Law Suits Against Public Participation (kurz: SLAPP-Klagen) gehört: Es werden Journalisten, Umweltschützer, Menschenrechtsaktivisten und NGOs ohne wesentliche Aussicht auf Erfolg geklagt, um durch das Schüren von Angst Aufdeckungsarbeit zu verhindern. Beklagte verfügen oft nicht über die Mittel, sich einen Prozess leisten zu können und nehmen Abstand von der Berichterstattung, die der vermeintlich mächtigere Kläger gerichtlich angreift. Wer will schon Strafen riskieren, die den Ruin nach sich ziehen könnten?

Sowohl das Europäische Parlament (EP) als auch die EU-Kommission sind sich weitgehend einig, dass SLAPP-Klagen eine Bedrohung für Medienfreiheit, Demokratie und Pluralismus darstellen und das Recht auf freien Zugang zu Information beeinträchtigen. Es soll gerade nicht so sein, dass derjenige, der Geld hat, anschafft. Es brauche Regeln gegen schikanöse Klagen, die darauf abzielen, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, so die Ausschüsse für bürgerliche Freiheiten und Recht des EP. Bisher hat jedoch kein Mitgliedstaat gezielt Gesetze gegen SLAPP erlassen.

In einem Berichtsentwurf des EP, der Mitte Oktober mehrheitlich angenommen wurde, verabschiedete der Rechtsausschuss des EU-Parlaments eine Aufforderung an die EU-Kommission, gegen missbräuchliche Klagen vorzugehen, um die sogenannte vierte Säule unserer Demokratie zu schützen. Darin wird die Kommission aufgefordert, ein Maßnahmenpaket vorzulegen, durch das die Mitgliedsstaaten verpflichtet werden, Regeln für eine frühzeitige Klagsabweisung fadenscheiniger Klagen durch die Gerichte einzuführen.

Durch eine Anti-SLAPP-Richtlinie soll die Abweisung missbräuchlicher Klagen schon in einem früheren Stadium möglich sein. Der Kläger soll auf Antrag des Beklagten beweisen, dass keine SLAPP-Klage vorliegt. Sanktionen für Kläger im Missbrauchsfall, Schutzmaßnahmen gegen kombinierte strafrechtliche und zivilrechtliche SLAPP sowie Maßnahmen, die sicherstellen, dass Verleumdung nicht für SLAPP verwendet werden kann, sind geplant. Es sollen ein eigener Fond für Prozesskosten sowie psychologische Hilfe für Opfer von SLAPP eingeführt werden. Auch eine angemessene Ausbildung von Richtern und Anwälten ist vorgesehen. Eine öffentliche Online-Konsultation läuft seit Oktober 2021, um die Meinungen verschiedener Interessengruppen, einschließlich jene der Richterschaft, einzuholen.

Zu beachten ist, dass Meinungs- und Pressefreiheit wie auch der freie Zugang zu den Gerichten verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Diese Rechte sind bei der Einführung der neuen Regelungen selbstverständlich zu berücksichtigen.

Zur „Statement“-Kolumne – Ratgeber Recht:
Wer Geld hat, kann Journalisten klagen

Unser Netzwerk