Journalistische Berufsethik in der Corona-Krise

Mag. Melanie Gassler-Tischlinger, LL.M.
Mag. Laura Neururer-Blum

RAin Mag. Melanie Gassler-Tischlinger, LL.M. und RAAin Mag. Laura Neururer befassen sich in der Ausgabe Mai/Juni 2020 des Magazins „Statement“ mit ethischen Fragen des Journalismus in Zeiten der Corona-Krise.

 

Journalismus ist gekennzeichnet durch das Recht auf freie Berichterstattung und kritische Auseinandersetzung sowie das Recht auf Pressefreiheit. Begrenzt werden diese Freiheiten durch die Berufsethik, die insbesondere in Zeiten der Krise gewährleisten soll, dass ethisch vertretbar und verantwortungsbewusst von den Geschehnissen berichtet wird, zB wie hoch ist das Risiko, sich mit COVID-19 anzustecken? Welche Folgen kann eine Erkrankung haben? Welche einschränkenden Maßnahmen werden zu welchen Zwecken getroffen? Sind die Eingriffe verhältnismäßig bzw. verfassungskonform?

Der Presserat forderte zu einer verantwortungsvollen Handlungsweise in der Krise auf und verwies darauf, dass die Medien einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Bewusstseinsbildung leisten. Die Berichterstattung habe möglichst faktenbezogen und sachlich zu sein; eine sensationelle Darstellung solle vermieden und keine unbegründeten Ängste oder Hoffnungen geschürt werden. Das bedeutet zB, dass kritische Einzelfälle nicht dafür herangezogen werden sollten, pauschale Aussagen zu treffen.

Die Coronakrise ist in vielen Bereichen geprägt von Unsicherheit und Ängsten. Die journalistische Tätigkeit befindet sich im Spannungsfeld zwischen der Aufgabe, die Öffentlichkeit umfassend qualitativ zu informieren und der ethischen Verantwortung, die Verunsicherung nicht durch unsachliche Berichterstattung zu verstärken. Das bedeutet gewissenhaft zu recherchieren, die Meinung von Experten einzuholen und auf Risiken und Gefahren aufmerksam zu machen. Eine reißerische Wortwahl hingegen erfüllt diesen Maßstab nicht.

Die Presse hat einerseits von Geschehnissen nach ethischen und qualitativen Maßstäben zu berichten, auch wenn sie nicht immer die Zustimmung aller erhält. Gleichzeitig hat sie aber auch die Verantwortung, die Folgen ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen. Welchem dieser beiden Grundsätze letztlich der Vorzug zu geben ist, hat durch sorgfältige Abwägung der Umstände zu erfolgen. Unabhängiger und sachlicher Journalismus ist systemrelevant für das Funktionieren unserer Gesellschaft und unserer Demokratie.

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