RAin Mag. Melanie Gassler-Tischlinger befasste sich in ihrer aktuellen Kolumne für das Medienmagazin „Statement“ (Ausgabe September/Oktober 2018) mit dem Spannungsverhältnis zwischen Meinungs- und Medienfreiheit und dem Interesse von Unternehmen an der Geheimhaltung bestimmter nachteiliger Tatsachen.
In Deutschland stieg ein Tierschützer in zwei Bio-Hühnerställe ein. Er filmte dort tote Hühner sowie gesundheitlich schwer beeinträchtigte Hühner. Er überließ die Filmaufnahmen einem an seinen Aktionen unbeteiligten deutschen TV-Sender. Der TV-Sender berichtete über die Auswirkungen des Verkaufs von Bio-Erzeugnissen in Supermärkten und strahlte die Filmaufnahmen öffentlich aus.
Elf Bio-Betriebe klagten den TV-Sender. Das Gericht entschied, dass die Aufnahmen der Hühner nicht gezeigt werden dürfen. Die Berufung des TV-Senders gegen das Urteil hatte keinen Erfolg.
Doch der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) gab der Revision des TV-Senders statt und wies die Klage der Bio-Betriebe gegen den TV-Sender letztlich ab. Der BGH entschied, dass die Aufnahmen zwar geeignet seien, das Ansehen und den Ruf der Bio-Betriebe in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Die Bio-Betriebe würden durchaus ein Interesse an der Geheimhaltung haben, das durch die Aufnahmen berührt werde, so der BGH.
Der TV-Sender verfolge jedoch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Das Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiege die Interessen der Betriebe. Die Aufnahmen seien wahr. Der Zustand der Hühner sei tatsächlich schlecht gewesen. „Es entspricht der Aufgabe der Presse als Wachhund der Öffentlichkeit, sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Funktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt“, urteilte der BGH.
Unabhängige Medien und investigativer Journalismus sind Grundsteine eines Rechtsstaates und daher auch eines jeden EU-Mitgliedstaates. Ohne Medienfreiheit können Themen, die die Gesellschaft berühren, nicht professionell recherchiert und Missstände nicht aufgedeckt werden. Der Staat hat die Aufgabe, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Medienfreiheit zu gewährleisten.