Unser Partner, RA Dr. Ivo Greiter, fordert in der Tiroler Tageszeitung vom 17, Mai 2020 im „Brief an Tirol“ die Unabhängigkeit der Staatsanwälte vom Justizminister, wenn es darum geht, Anklage zu erheben.
Warum eine Halbierung des Weisungsrechts dringend notwendig wäre.
Es gibt zwar seit 2015 einen so genannten „Weisungsrat“. Diesem muss der Minister einen Vorschlag für die Erledigung von besonderen Fällen „wegen des außergewöhnlichen Interesses der Öffentlichkeit“ oder „bei wiederholter und überregionaler medialer Berichterstattung“ vorlegen. Aber letztlich entscheidet dann doch wieder der Justizminister, ob Anklage erhoben werden darf oder nicht. Eine klare Möglichkeit der Politik, auf die Justiz Einfluss zu nehmen. Heißt es doch klar im §83 unserer Verfassung: „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.“ Und genau das geschah in etlichen Fällen: Denken wir nur an Udo P. (Lucona-Fall), bei dem der damalige Minister verhindert hat, dass Anklage erhoben wird. Der Ausspruch dieses Ministers, „die Suppe ist zu dünn“, ist bekannt. Der nachfolgende unabhängige Justizminister hat dann doch Anklage erheben lassen. Das Gericht stellte dann sechs Morde fest: lebenslängliche Haft für Udo P.
Daneben sind immer wieder Fälle bekannt geworden, in denen offensichtlich durch Weisung von oben keine Anklage erhoben wurde: 696 Polizisten hielten bei rund 50 Schwertransporterfirmen immer wieder die Hand auf, behauptete das Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) in einer Strafanzeige. Das Bundesministerium für Justiz stellte den Fall als Bagatelle ein: „Die Masse der Beamten nahm nur kleine Summen.“ Doch der harte Kern verdiente bis zu 1000 Euro im Monat. 400.000 Euro sollen in zwei Jahren bezahlt worden sein.
Der Protokollchef von Landeshauptmann H. „muss nach einer Weisung des Justizministeriums nicht wegen falscher Aussagen vor Gericht…“ Auch von Seiten der Staatsanwälte wird immer wieder Kritik geübt: Das ministerielle Weisungsrecht sei „ein Überrest der Kabinettsjustiz, wo die Politik entschied, wer und wie jemand vors Strafgericht kommt“, sagte die damalige Präsidentin der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte und spätere Bundeskanzlerin (2019–2020) Brigitte Bierlein. Unabhängigkeit der österreichischen Brigitte Bierlein. Die Weisungsspitze Justizminister müsse weg, weil dort die politische Einflussnahme erfolgen könne, erneuerte Bierlein die Uraltforderung der Staatsanwälte nach einer Abschaffung des Weisungsrechtes.
Meine Lösung stammt von Dr. Steininger, dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofes (1994–1998): Das heißt, der Justizminister darf nicht mehr Weisung erteilen, eine Anklage
zu unterlassen. Er darf nur mehr Weisung erteilen, jemanden anzuklagen, wenn der Staatsanwalt untätig ist. Es darf nicht sein, dass letztlich der politisch bestellte Justizminister entscheidet,
ob jemand angeklagt wird oder nicht. Im Justizprogramm der jetzigen Regierung 2020–2024 heißt es unter dem Stichwort Strafprozessrecht zur unabhängigen Justiz und Korruptionsbekämpfung im ersten Punkt: „Die Staatsanwaltschaft muss unabhängig von Beeinflussungen arbeiten können.“ Vielleicht gelingt es unserer Justizministerin Dr. Alma Zadić, die
Unabhängigkeit der österreichischen Strafjustiz von der Politik durch Halbierung des Weisungsrechtes nach jahrzehntelangen Bemühungen tatsächlich abzusichern.
Der Innsbrucker Rechtsanwalt Dr. Ivo Greiter (Kanzlei Greiter, Pegger, Kofler) fordert seit seinem ersten Vortrag auf der Richterwoche 1990 die Halbierung des Weisungsrechtes.