Digitalisierungsschub im Gesellschaftsrecht

Dr. Silvia Moser, M.A.

Unsere Rechtsanwältin Dr. Silvia Moser, M.A. erläutert in einem Beitrag im Wirtschaftsmagazin econova die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit weiteren digitalen Lösungen und Verfahren im Bereich des Gesellschaftsrechts.

Digitalisierungsrichtlinie – RL (EU) 2019/1151

Durch die Umsetzung der europäischen Digitalisierungsrichtlinie soll der „Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren“ im Gesellschaftsrecht verbessert werden, um den Unternehmern in den Mitgliedstaaten ein einfacheres, rascheres und effizienteres wirtschaftliches Handeln zu ermöglichen.

Künftig sollen Unternehmern zusätzliche „Online-Verfahren“ zur Gründung und Errichtung von Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Musterdokumenten zur Verfügung stehen. Solche „Online-Verfahren“ sollen auch bei sogenannten „Mehrpersonen-Gründungen“ anwendbar sein, und zwar sowohl für mehrere natürliche Personen und auch für juristische Personen. Außerdem sollen Erledigungen in diesen „Online-Verfahren“ möglichst innerhalb von 5 bis 10 Arbeitstagen abgeschlossen sein.

Die Digitalisierungsrichtlinie sieht für bestimmte Rechtsformen die Möglichkeit eines „Opt-Outs“ vor. Das bedeutet, dass in einigen Mitgliedstaaten bestimmte Rechtsformen von dieser „Online-Gründung“ ausgeschlossen werden könnten. Dies könnte gegebenenfalls auch für Sachgründungen zur Anwendung gelangen.

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, welche nächsten Schritte der Gesetzgeber setzen wird, um den Unternehmern entsprechend richtlinienkonforme digitale
Lösungen bereitzustellen.

„Vereinfachte elektronische GmbH-Gründung“ gemäß § 9 GmbHG

Das nationale österreichische GmbH-Gesetz kennt eine Form der „vereinfachten elektronischen GmbH-Gründung“ seit Inkrafttreten von § 9 a GmbHG. Diese Bestimmung wurde ursprünglich für die Dauer einer 3-jährigen Testphase eingeführt.

Nach Ansicht des Gesetzgebers hat sich die Bestimmung in der Praxis bewährt. Deshalb wurde zu Beginn des Jahres eine unbefristete Weitergeltung von § 9 a GmbHG beschlossen, sodass Gründern diese Form der „vereinfachten elektronischen GmbH-Gründung“ auch künftig zur Verfügung stehen wird, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:

So gilt diese „vereinfachte elektronische GmbH-Gründung“ bislang etwa nur für „Einpersonen-Gründungen“, wenn eine natürliche Person eine GmbH gründet und diese Person auch zugleich einziger Geschäftsführer ist.

Außerdem muss sich die Errichtungserklärung auf einen bestimmten standardisierten Inhalt beschränken („Mustersatzung“, keine Notariatsaktsform). Das Stammkapital beträgt € 35.000,– und ist mit € 17.500,– bar zu leisten. Bei Inanspruchnahme der Gründungsprivilegierung beträgt das Stammkapital € 10.000,– und ist mit € 5.000,– bar zu leisten.

Nicht möglich ist die „vereinfachte elektronische GmbH-Gründung“ außerdem derzeit bei „Mehrpersonen-Gründungen“ und Sachgründungen mit Gründungsprüfung.

In der Praxis der Firmenbuchgerichte hat sich in der Vergangenheit unter anderem gezeigt, dass häufiger gerichtliche Verbesserungsaufträge wegen Schwierigkeiten bei der richtigen Bildung des Firmenwortlautes erlassen werden mussten, wenn Gründer ohne Rechtsberatung gründeten. Im ersten Jahr der Einführung waren über 30 % der Firmenbucheingaben bei „vereinfachten elektronischen GmbH-Gründungen“ fehlerhaft. In diesem Zusammenhang steht daher derzeit die Optimierung der bestehenden digitalen Lösung im Vordergrund.

Weiters hat sich gezeigt, dass Gründer ohne Rechtsberatung oft Entscheidungen getroffen haben, welche sie bei Inanspruchnahme einer Rechtsberatung allenfalls anders getroffen hätten. Das kann z.B. bereits die Grundsatzentscheidung betreffen, ob eine GmbH überhaupt die richtige Rechtsform für einen Gründer darstellt, oder ob für sein Vorhaben vielleicht eine andere Rechtsform geeigneter wäre. Gründer ohne Rechtsberatung waren weiters z.B. im Nachhinein überrascht, dass die Auflösung und Löschung einer GmbH weit aufwändiger ist, als sie das im Zuge der Gründung noch angenommen hatten (z.B. wegen der Durchführung eines Liquidationsverfahrens).

„Virtuelle Versammlungen“ von Gesellschaftern sowie von Leitungs- und Aufsichtsorganen

Durch den Gesetzgeber wurde im Zuge der COVID-Krise ein eigenes Gesetz für besondere Maßnahmen im Gesellschaftsrecht erlassen („COVID-19-GesG“) und
in einer dazugehörigen Verordnung zur Abhaltung von „Virtuellen Versammlungen“ präzisiert („COVID-19-GesV“).

Diese Verordnung sollte ursprünglich mit 31.12.2020 wieder außer Kraft treten. Zwischenzeitlich wurde die Geltungsdauer bis 31.12.2021 verlängert.

Die Regelungen dieser Verordnung sind auf bestimmte Rechtsformen anwendbar. Um eine solche „Virtuelle Versammlung“ abzuhalten zu können, muss eine Teilnahmemöglichkeit mittels einer akustischen und optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit bestehen. Jeder Teilnehmer muss sich zu Wort melden und an der Abstimmung teilnehmen können. Falls einzelne Teilnehmer nicht akustisch und optisch (mit Video) teilnehmen können oder wollen, darf höchstens die Hälfte der Teilnehmer bloß akustisch mit der Versammlung verbunden sein.

Die Entscheidung, ob eine „Virtuelle Versammlung“ stattfinden soll und wie sie durchgeführt wird (z.B. Art der Verbindungstechnologie), obliegt dem Organ, das
für die Einberufung zuständig ist.

Ähnliche Regelungen, aber auch Sonderbestimmungen, sieht die Verordnung für Hauptversammlungen bei einer Aktiengesellschaft (AG) und für Genossenschaften (Gen) vor.

Schon vor der COVID-Krise waren im Aktienrecht (AktG) Regelungen für Hauptversammlungen im Wege elektronischer Kommunikation enthalten (z.B. Fernteilnahme, Fernabstimmung). Erforderlich war jedoch, dass die Satzung entsprechende Regelungen dazu enthielt.

Digitaler Notariatsakt, sonstige Urkunden und Amtshandlungen

Im letzten Jahr wurden die Möglichkeiten der Nutzung von elektronischen Kommunikationsmitteln bei bestimmten notariellen Amtshandlungen auch im Gesellschaftsrecht weiter ausgedehnt. Da sich auch diese Flexibilisierungen nach Ansicht des Gesetzgebers in der Praxis bewährt haben, sollen diese zusätzlichen digitalen Formen künftig ebenfalls unbefristet möglich sein (z.B. § 90 a NO). So kann z.B. auch ein Notariatsakt unter bestimmten Voraussetzungen unter Nutzung von elektronischen Kommunikationsmitteln „digital“ errichtet werden (§ 69b NO).

Ausblick

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, welche weiteren Schritte der Gesetzgeber in nächster Zeit setzt, um den Unternehmern (weitere) digitale Lösungen zur Verfügung zu stellen und den Wirtschaftsstandort Österreich und Europa zu stärken, aber auch, welche digitalen Lösungen sich langfristig in der Praxis etablieren werden.

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