Corona: Wie kommt man durch die Krise?

RA Dr. Edwin Grubert, LL.M. erläutert in einem Interview für die Zeitschrift netzwerk Tirol, Ausgabe Mai 2020 (https://netzwerktirol.at/) wie Unternehmen bei Finanzproblemen am besten durch die Krise kommen.

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„Hier beißt sich die Katze in den Schwanz“

Ist ein Konkurs manchmal vielleicht sinnvoll?

Sie haben im Zuge unserer Vorgespräche gemeint: Herausforderungen sind doch auch etwas Gutes und am Ball bleibend macht es am meisten Spaß. Diesen Leitsatz unternehmerischen Denkens kann ich nur unterstreichen. Allerdings wird es die momentane Corona-Krise dem einen oder anderen klein- und mittelständischen Unternehmen nicht leicht machen, diesen Leitsatz auch tatsächlich zu leben.

Denn im Gegensatz zur Finanzkrise vor etwas mehr als zehn Jahren hat die Corona-Krise sowohl Unternehmer als auch Arbeitnehmer innerhalb weniger Tage ohne Vorbereitungsmöglichkeit überrollt. Aufgrund der erlassenen Verordnungen mussten Betriebe mehr oder weniger über Nacht ihren Betrieb einstellen. Nicht einmal mehr die offenen Aufträge konnten ausgeführt werden. Damit waren schlagartig die Einnahmen aus dem operativen Betrieb mehr oder weniger gleich null. Viele Unternehmer konnten daher nicht rechtzeitig agieren, sondern nur mehr reagieren.

Auch wenn durch die Betriebsschließung und in der Folge auch durch weitere gesetzliche Corona-Maßnahmen ein Teil der Fixkosten weggefallen ist oder sich diese vorübergehend reduziert haben, bleiben die bestehenden Verbindlichkeiten grundsätzlich zur Gänze aufrecht und fehlen vielen Unternehmen, mit Ausnahme von einigen Branchen wie zum Beispiel dem Lebensmittelhandel.

Erschwerend kommt noch dazu, dass aufgrund der Unsicherheit über weite Strecken kaum Aufträge erteilt werden. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass sich der eine oder andere Unternehmer erstarrt vom Schock der Corona-Krise fragt, ob es nicht vielleicht Sinn macht, Konkurs anzumelden.

Eine Insolvenz, also ein Konkurs, ein Sanierungsverfahren oder ein Schuldenregulierungsverfahren, sollte meines Erachtens jedoch immer die Ultima Ratio unternehmerischen Denkens sein. Eine Grenze findet diese Ultima Ratio jedoch dort, wo der Gesetzgeber den Unternehmer zur Insolvenzeröffnung verpflichtet. Gemäß den Bestimmungen der Insolvenzordnung hat die Geschäftsführung einer Gesellschaft aber auch der Einzelunternehmer eine Verpflichtung zur Insolvenzanmeldung beim Insolvenzgericht, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.

 

Welche Kriterien sind das?

Die Kriterien für die Pflicht zur Anmeldung der Insolvenz finden sich in der Insolvenzordnung und sind Zahlungsunfähigkeit einerseits und Überschuldung, bei Gesellschaften ohne unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafter, andererseits. Liegt Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im Sinne der Insolvenzordnung vor, hat die Geschäftsführung einer Gesellschaft, aber auch der Einzelunternehmer die Pflicht, binnen 60 Tagen ab Beginn der Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise ab Bestehen der Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung der Insolvenz beim Insolvenzgericht einzubringen.

Zahlungsunfähigkeit ist, vereinfacht gesagt, dann gegeben, wenn das Unternehmen die fälligen Verbindlichkeiten, wie zum Beispiel Kreditraten, Steuer- und Abgabenschulden, Lieferantenverbindlichkeiten, Miete et cetera, nicht innerhalb einer angemessenen Frist von rund 30 Tagen bezahlen kann. Damit ist aber die Frage der Zahlungsfähigkeit in erster Linie eine Frage der Liquidität. Die Möglichkeit der Schöpfung von Liquidität über laufende Einnahmen ist jedoch durch die Corona-Krise bedingten Betriebsschließungen für viele Unternehmen weggefallen.

Da ein Unternehmen, auch wenn der Betrieb teilweise oder gänzlich geschlossen ist, mit gewissen Fixkosten konfrontiert ist, muss er sich, wenn die Einnahmen weggefallen sind, auf eine andere Art Liquidität verschaffen. Sofern nicht Ersparnisse aufgebaut wurden oder nichtbetriebsnotwendiges Vermögen vorhanden ist, welches kurzfristig veräußert werden kann, bleibt dem Unternehmen im Wesentlichen nur die Möglichkeit, sich durch Kredite Liquidität zu verschaffen.

Und hier beißt sich aufgrund der Corona-Krise die Katze in den Schwanz. Denn nicht nur aus eigenen wirtschaftlichen Überlegungen, sondern insbesondere aufgrund der strengen regulatorischen Vorschriften, denen Banken und Kreditinstitute unterworfen sind, kommt bei der Kreditvergabe der Prüfung der Rückzahlbarkeit ganz entscheidende Bedeutung zu. Die Einschätzung der Rückzahlbarkeit ist aber in den meisten Fällen mit einer Zukunftsprognose vor allem in Hinblick auf die Einkommensmöglichkeiten verbunden. Die Corona-Krise hat aber zu einer gegenwärtig unsicheren Marktsituation und damit zu einer unsicheren Einkommenssituation geführt, die kaum valide Zukunftsprognosen zulassen, was logischerweise zu einer größeren Vorsicht bei Kreditvergaben führt.

 

Gibt es dafür Abhilfen?

Um Abhilfe zu schaffen, hat der Gesetzgeber eine Reihe von liquiditätsstiftenden Maßnahmen gesetzt, wie zum Beispiel die Erleichterung von Überbrückungsfinanzierungen, auf die ich später noch zurückkommen werde. Zudem hat der Gesetzgeber die Frist, binnen welcher die Geschäftsführung einen Antrag auf Insolvenzeröffnung bei Gericht einbringen muss, mit dem 4. Covid-19 Gesetz ausgesetzt beziehungsweise verlängert und die nach der Insolvenzordnung grundsätzlich gegebenen Anfechtungsmöglichkeiten von bestimmten Überbrückungskrediten, zur Vorfinanzierung der Kurzarbeitshilfe, eingeschränkt. Dies, verbunden mit den weiteren gesetzlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Krise, führt dazu, dass auch in der Corona-Krise die Konkursanmeldung weiterhin als Ultima Ratio betrachtet werden kann und soll. Dies ist auch klares Ziel des Gesetzgebers, welches dieser insbesondere mit den weiteren Maßnahmen mit dem 4. Covid-19 Gesetz, zum Ausdruck gebracht hat. Die gegenwärtige Corona-Krise soll nicht dazu führen, dass gesunde Unternehmen von der gegenwärtigen Situation in die Insolvenz fliehen müssen. Dies vor allem im Hinblick darauf, dass die Geschäftsführung bei Verstoß gegen die rechtzeitige Insolvenzanmeldung mitunter eine eigene Haftung trifft.

Damit soll jedoch nicht gesagt werden, dass Unternehmen, die bereits vor der Corona-krise zahlungsunfähig oder überschuldet waren, nicht die Flucht nach vorne antreten und einen Antrag auf Konkurseröffnung stellen sollen. Diese Unternehmen hatten bereits vorher die Schwelle der Ultima Ratio erreicht.

 

Welche Möglichkeiten habe ich als Unternehmer, wenn mein Betrieb aufgrund der Corona-Maßnahmen einige Zeit stillgelegt ist?

Bereits mit dem 2. Covid-19 Gesetz hat der Gesetzgeber die nach der Insolvenzordnung vorgesehene Frist, binnen welcher ein Insolvenzantrag gestellt werden muss, von 60 Tagen ab Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verdoppelt, also auf 120 Tage erhöht und damit den Unternehmern Zeit verschafft, sich Liquidität zu besorgen, ohne dass die Geschäftsführung fürchten muss, wegen eines verspäteten beziehungsweise verzögerten Insolvenzantrages selbst haftungsrechtlich in Anspruch genommen zu werden.

Mit dem 4. Covid-19 Gesetz vom 4. April 2020 hat der Gesetzgeber die Anfechtbarkeit von Überbrückungskrediten zur Vorfinanzierung der Kurzarbeitshilfe sowie von kurzfristigen Krediten aus dem Gesellschafterkreis beschränkt und damit eine wesentliche Maßnahme gesetzt, die den Unternehmen hilft, sich Liquidität durch Kredite zu verschaffen.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber mit dem 4. Covid-19 Gesetz die Pflicht zur Einbringung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung wegen Überschuldung ausgesetzt. Allerdings darf die Überschuldung nicht bereits vor dem 1. März 2020 bestanden haben. Lag Überschuldung bereits vor dem 1. März 2020 vor, besteht binnen der Antragsfrist von 120 Tagen die Pflicht, einen Insolvenzantrag bei Gericht einzubringen. Die Aussetzung dieser Antragspflicht gilt jedoch nur für Überschuldung und nur wenn diese längstens bis zum 30. Juni 2020 eintritt. Auch einem Gläubiger ist es in diesem Fall verwehrt, einen Insolvenzantrag gegen das Unternehmen einzubringen. Irrelevant ist, ob die zwischen dem 1. März und 30. Juni 2020 eintretende Überschuldung unmittelbar durch die Corona-Krise verursacht worden ist oder nicht.

 

Ist der Fristenbeginn immer klar und eindeutig?

Ob im Einzelnen tatsächlich Zahlungsunfähigkeit oder lediglich Zahlungsstockung vorliegt, ist nicht immer einfach zu beurteilen. Hier kann eine Rücksprache mit einem Rechtsanwalt oder Steuerberater hilfreich sein und rasch Klarheit bringen.

Grundsätzlich kann jedoch gesagt werden, dass in der Regel keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn das Unternehmen in relativ kurzer Zeit ausreichend liquide Mittel beschaffen kann. Dies kann etwa in Form von Überbrückungsfinanzierungen geschehen. Auch die Herabsetzung und Stundung von Abgabenschulden kann ein taugliches Mittel zur Verschaffung von Liquidität sein.

Der Gesetzgeber hat im Rahmen seiner Corona-Maßnahmen eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen, die dem Unternehmen die Beschaffung von Liquidität erleichtert. Zu denken ist dabei insbesondere an die umfassenden Garantien des Austria Wirtschaftsservices sowie der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank, die es Banken und Kreditinstituten leichter machen, Unternehmen auch in der Corona-Krise Überbrückungsfinanzierungen zu gewähren. Zu denken ist dabei weiters an die Möglichkeit, Hilfe aus dem Härtefall-Fonds sowie dem Corona-Hilfsfonds zu beantragen. Erwähnenswert ist vor allem, dass nunmehr seit Ostern auch Neugründer finanzielle Hilfe, bis zu € 2.000,00, bekommen können und die bisher vorgesehenen Einkommensschwellenwerte fallen gelassen worden sind. Es besteht aber auch die Möglichkeit, einen Betriebskostenzuschusses aus dem Corona-Hilfsfonds zu bekommen. Abhängig vom Umsatzrückgang wird ein bestimmter Prozentsatz der Fixkosten, Miete, Strom, Telefon, et cetera, vom 15. März 2020 bis zum Ende der Corona-Maßnahmen in Form eines nichtrückzahlbaren Zuschusses vom Corona-Hilfsfonds übernommen. Darüber hinaus kann auch der Unternehmerlohn bis zu einem Betrag von maximal € 2.000,00 beim Corona-Hilfsfonds beantragt werden.

 

Welchen Bindungen bin ich in der gegenwärtigen Corona-Krise verpflichtet?

Auch die Corona-Krise hat grundsätzlich am Prinzip, Verträge sind einzuhalten, also pacta sunt servanda, nichts geändert. Vertragliche Verpflichtungen, die bereits vor der Krise eingegangen wurden, sind ebenso zu erfüllen, wie jene in der Krise.

Der Gesetzgeber hat jedoch durch die Covid-19 Gesetzgebung teilweise in die zivilrechtlichen Rechtsverhältnisse eingegriffen. Dies allerdings nur in einem sehr beschränkten Ausmaß, insbesondere in Form von Stundungsverpflichtungen für Gläubiger, zum Beispiel bei Verbraucherkreditverträgen, bei gewissen Kleinunternehmer und bei Mietverträgen. Auch durch die Covid-19 Kurzarbeit, wie der Möglichkeit der einseitigen Urlaubsfestlegung durch den Arbeitgeber für eine bestimmte Maximalzeit, wenn dieser vor allem durch eine Betriebsschließung durch die Corona-Maßnahmen betroffen ist, hat der Gesetzgeber in bestehende Verträge eingegriffen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die bereits erwähnten Möglichkeiten beziehungsweise Erleichterungen für Unternehmer, zum Teil aber auch für Arbeitnehmer und Mieter/Pächter Liquiditätsengpässe zu überwinden, um diese aufgrund der Corona-Krise nicht die Insolvenz zu drängen.

 

Was nützt mir Rechtsberatung, wenn ich Finanzierungsprobleme habe?

Die Unterstützung und Beratung durch einen Rechtsanwalt und Steuerberater kann selbstverständlich helfen, Wege aufzuzeigen, wie Liquiditätsengpässe leichter überwunden werden können, sei es in Form von Verhandlungen mit Vertragspartnern, Behörden oder Förderstellen. Darüber hinaus läuft man bei anwaltlicher und steuerrechtlicher Beratung nicht Gefahr, gesetzliche Fristen zu versäumen, womit in vielen Fällen eine Haftung für die Unternehmensführung verbunden ist. Dies gilt insbesondere für die Geschäftsführung beziehungsweise Vorstände von Gesellschaften, aber auch für die Einzelunternehmer. Auch leitende Angestellte können unter Umständen in Fällen von Fristversäumnissen zur Haftung herangezogen werden, vor allem aber nicht nur wenn Zahlungen nicht fristgerecht erfolgen. Dies gilt insbesondere für Steuer- und Abgabenschulden sowie für sozialversicherungsrechtliche Abgaben. Die Missachtung der schon erwähnten Insolvenzantragspflicht ist ein weiteres Beispiel für eine mögliche Haftung der Unternehmensführung wegen Fristversäumnis.

Fachgerechte Rechtsberatung kann aber auch helfen, Finanzierungsschwierigkeiten zu überwinden und den im jeweiligen Fall, den Umständen entsprechend besten Weg dafür aufzeigen. Denn in der Regel gibt es nicht nur einen Weg, aus Finanzierungsproblemen heraus zu kommen.

Foto: (c) Blickfang

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